Wir sind nur gemeinsam stark
Die beiden grünen Politiker Sarah Heim und Micha Bloss, Mitglied des Europaparlaments, kamen kürzlich mit Vertretern von Medical Mountains in Tuttlingen ins Gespräch und besuchten auch die Firma vhw Metallpresswerk in Spaichingen.
Dialog sei sehr wichtig, betonte Julia Steckeler, Geschäftsführerin von MedicalMountains. Man wolle mit Lösungen ins Gespräch gehen und nicht nur jammern. Den aktuellen Stand in Sachen PFAS, den sogenannten “Ewigkeitschemikalien”, die auch in der Medizintechnik eingesetzt werden, stellte Meinrad Kempf, Projektmanager von MedicalMountains, vor. Dabei müsse es um gesellschaftliche Abwägung und einen ganz offenen Dialog gehen, betonte in der anschließenden Diskussion Martin Leonhard, Executive Director der Karl Storz KG. Er stellte die Frage in den Raum, wer nachweisen solle, dass es für die PFAS keinen Ersatz gebe. Ein offener Dialog sei hier ganz wichtig. Den Ersatz gebe es, erläuterte dann Yvonne Glienke, ebenfalls Geschäftsführerin von MedicalMountains. Allerdings nicht in der kombinierten Wirkung, die die PFAS haben, die Ersatzstoffe wirkten jeweils nur in den einzelnen Eigenschaften.
Das Umweltproblem der PFAS sei eigentlich nur bei den wasserlöslichen Stoffen vorhanden, betonte dann Christian Bader von der Bentley Innomed GmbH. Hier wären Ausnahmen und auch die Befreiung vom Lieferkettengesetz wichtig, um diese Stoffe überhaupt beschaffen zu können. Kreislaufwirtschaft, also ein Recycling der kritischen Stoffe, sei beispielsweise in Krankenhäusern nicht möglich, da hier alles verbrannt werde. Zudem lohne es sich nicht, zehn Milligramm dieser PFAS-Stoffe aus einem Stent wieder herauszuholen. Nötig sei, so die Fachleute der Medizintechnik, eine Diskussion, in der auch klar gemacht werde, wie mit solchen Stoffen Menschen geholfen werde.
In der Spaichinger Firma vhw Metallpresswerk berichtete Geschäftsführer Dr. Alexander Winker von den Anfängen des Familienunternehmens. Hier werden Rohteile warmgepresst, wodurch weniger Material als bei der Zerspanung gebraucht wird. Der Energiebedarf von vhw ist recht hoch, insgesamt benötigt die Firma ein Achtel des Gesamtverbrauchs von Spaichingen. Im Moment befindet sich der Betrieb in der Transformation, da bisher hauptsächlich Teile für Verbrennermotoren produziert werden. Mit dem Wärmeüberschuss, der bei der Produktion anfällt, wird seit 1983 das Spaichinger Freibad geheizt, das sind etwa 500.000 kWh pro Saison, und so werden jährlich etwa 110 Tonnen CO2 eingespart.
Um die Frage, wie die Industrie der Zukunft grün, gerecht und wirtschaftsstark werden kann, ging es am Abend in der Tuttlinger Stadthalle. Sarah Heim vom Landesparteirat der Grünen verwies auf den längsten Streik der Geschichte: Beim Windradhersteller Vestas streikten die Mitarbeiter 123 Tage lang, damit haben sie durchgesetzt, dass sie jetzt Tarifverträge bekommen. Es sei sehr wichtig, dass die Grünen mit den Werksverbänden genau hier zusammenarbeiten, betonte Sarah Heim. Gerade im Bereich der Zukunftsindustrien im Bereich erneuerbare Energien oder Elektromobilität brauche es unbedingt eine sozial gerechte Ausgestaltung. Das sei auch bei Tesla gelungen, wo die Arbeitsbedingungen anfangs ziemlich mies waren. Zudem brauche es für die Zulieferer, die bisher stark im Bereich der Verbrennungsmotoren aktiv waren, ein Umdenken. Bei Mahle gebe es nun ein Weiterbildungsprogramm in Zusammenarbeit mit der IG Metall und der Agentur für Arbeit. Das wurde unternehmensweit in jeder vom Strukturwandel betroffenen Abteilung eingeführt.
Der Europaabgeordnete Micha Bloss ging auf die Frage der Unabhängigkeit heimischer Industrien ein, die durch Corona und den Ukrainekrieg befördert wurde. Im Moment halte sich die EU hier weitestgehend raus, im Gegensatz zu China, das die eigenen Firmen bis 2040 mit umgerechnet 830 Milliarden Euro unterstütze. Klar sei, so Bloss, dass in erneuerbare Energien investiert werden müsse, um langfristig günstige Energiekosten zu haben und unabhängig zu sein. Dafür brauche man europäische Investitionstöpfe. „Wenn jeder sein eigenes Süppchen kocht, können wir der USA und China nicht die Stirn bieten. Wir sind nur gemeinsam stark.“ Bloss selbst setzte sich, gemeinsam mit der baden-württembergischen Landesregierung, bei der umstrittenen Medizinprodukteverordnung MDR, dafür ein, dass hier nun zwischen Massen- und Spezialprodukten unterschieden wird. Das war anfangs nicht so, und genau hier lag ein riesiges Problem gerade für kleinere Firmen. In der anschließenden Diskussion wurden weitere Fragen zur MDR angesprochen, aber auch um die Ausbildung ging es und die Frage, wie Migration funktionieren kann. Geflüchtete dürften nicht nur auf ihren Beitrag zur Wirtschaft des Landes reduziert werden, forderte Sarah Heim.