"Soziale Gerechtigkeit muss immer wieder aufs Neue geschaffen werden"
Beeindruckt vom Engagement zeigte sich Sozial- und Integrationsminister Manne Lucha bei seinem Besuch in Tuttlingen von der Arbeit bei Mutpol. Leiter Dieter Meyer stellte dem Minister, der vom Kreisvorstand der Grünen begleitet wurde, die Einrichtung vor, in der neben Jugendlichen aus schwierigen Familienverhältnissen auch junge Geflüchtete betreut werden. Im Fachgespräch wurde deutlich, welche große Herausforderung es für Mutpol ist, dass sowohl die Betreuung als auch die Probleme der Jugendlichen immer komplizierter werden. Zudem hat man bei Mutpol wie überall mit Personalknappheit zu kämpfen. Daraus entwickle sich oft Überforderung bis hin zum Burn Out, was wiederum dazu führe, dass die Bereitschaft, in sozialen Berufen zu arbeiten, schwinde – eine Spirale, die die Arbeit noch schwieriger mache.
Am Abend ging Manne Lucha in einem öffentlichen Vortrag bei Mutpol auf die aktuelle gesellschaftliche Spaltung und Polarisierung ein und zeigte Wege auf, wieder zu einem besseren Miteinander zu finden. In den letzten Jahren folgten Krise auf Krise, von Einwanderungswellen über Corona bis zum Ukrainekrieg und die Klimakrise. Zudem werde Integration von vielen Menschen zunehmend kritisch gesehen, viele hätten Abstiegsängste. Dies alles führe zu Unsicherheit, die von Feinden der Demokratie zusätzlich durch Desinformation und Hetze in den sozialen Medien befeuert werde. So würden Parteien immer stärker, die einfache Antworten und Abschottungsideen anbieten, wie die AfD hierzulande oder Le Pen in Frankreich. Sie bestärkten auch den Glauben vieler Leute, dass die Politik sich nicht um die Probleme der Menschen kümmere. Hier sei es umso wichtiger, dass die politischen Akteure direkt auf die Leute zugehen, aber es müsse auch Desinformation und Hetze auf Social Media mehr bekämpft werden. So wies Lucha auf das Modell Taiwan hin: Um sich gegen massive Falschinformation aus China wehren zu können, arbeitet man dort jetzt mit Warnhinweisen bei Falschnachrichten. Lucha rief auch dazu auf, als Demokraten und Grüne vor Ort in Vereinen und im Ehrenamt sichtbar zu sein. Denn Politik finde überall, auch in der direkten Nachbarschaft, im Quartier statt. Hier müssten die Menschen aller Generationen spüren, dass man sich um sie kümmert, das sie gehört werden.
Lucha stellte klar, dass dies ein dauerhafter Prozess ist. „Soziale Gerechtigkeit ist kein einmal erreichter Zustand, sie muss von allen immer wieder aufs Neue geschaffen und getragen werden. Gesellschaft und Staat müssen hier zusammenarbeiten. Jede und jeder ist aufgerufen, sich mit seinen Fähigkeiten für die Gestaltung des sozialen Lebens einzusetzen. Es ist wichtig, dass sich alle gesellschaftlichen Gruppen aktiv am politischen und gesellschaftlichen Leben beteiligen. Menschen in prekären und armutsgefährdeten Lebenslagen nehmen nachweislich weniger am politischen Leben teil.“ Und von diesen gibt es im reichen Baden-Württemberg viele: Nach Zahlen von 2021 sind 16,4 Prozent der Menschen im Land armutsgefährdet, das bedeutet, dass ihnen weniger als 60 Prozent des Durchschnittseinkommens zur Verfügung steht.